Theodizee – Wie kann Gott Leid zulassen?

  In der Philosophie wurde die Frage oft behandelt. Es ist das scheinbare Problem, dass Gott nicht zugleich allmächtig und gut sein könne, da er Übel nicht verhindere. Gottfried Wilhelm Leibniz meinte, dass Gott aus einer Vielzahl möglicher Welten die beste auswähle. Ich sehe das eher wie ein Quantum, dass seine Eigenschaften erst erhält, wenn es mit irgendetwas wechselwirkt, zum Beispiel wenn es beobachtet wird. Der Beobachter beeinflusst das Quantum durch seine Beobachtung. Ist ein Photon, ein Lichtteilchen beispielsweise Welle oder Teilchen? Wenn es mit nichts wechselwirkt, ist es als Welle zu erkennen, als ein Überlagerungsmuster aller möglichen Wahrscheinlichkeiten, an einem bestimmten Ort zu sein. Es hat sich, einfach ausgedrückt, noch nicht entschieden. Sobald ich es aber beobachte oder messe, zwinge ich das Teilchen in die Realität. Es hat eindeutig bestimmbaren Eigenschaften.

Bei der Frage der Theodizee ist das ähnlich:
Alles geschieht aufgrund der Naturgesetze oder durch den Zufall. So ist die naturwissenschaftliche Sehensweise. Dem kann ich nicht widersprechen. Für uns erscheint also Vieles als Zufall. Das kann man auch religiös betrachten: Wenn man Gott vertraut, dass alles seinen Sinn hat und einem zum Besten dient, dann nimmt die Welt genau diese Gestalt an. Alles dient mir dann wirklich zum Besten. Deshalb sollte der Sinn des Schicksals, beziehungsweise die gute Absicht Gottes, erkundet werden. Erst wenn ich sie erkenne, kann ich mein Handeln so beeinflussen, dass ich Gottes Einladung annehme, den Weg zu gehen, der zu ihm führt und der mich dann auch in meinem Leben glücklich macht. Ich denke auch, das Problem an sich ist unglücklich formuliert und leidet an fehlender oder unzureichender Definition.

Vor Allem: Was ist Übel? Ein Mangel an Gutem? Ist eine Krebserkrankung etwas Gutes oder ein Übel? Es ist nicht zwangsläufig ein Übel. Nach meiner eigenen Erkrankung bin ich glücklicher als vorher. Sie hat mich dazu gebracht, über mein Leben, über mich und Gott nachzudenken und es zum Guten zu verändern. War die Krankheit also gut oder ein Übel? Ich darf erkennen, dass sie für mich und andere etwas sehr Gutes war, für das ich Gott von Herzen danke. Diese böse Krankheit war für mich also kein Übel, sondern etwas Gutes, mit dem mir Gott den Weg in seine Nähe zeigte. Für andere war das nicht zu erkennen. Niemand hat mich zu meiner Krankheit beglückwünscht. Vielleicht hat sie sogar manche Menschen dazu gebracht, Gott zu verurteilen.

Das, was Gott zulässt, ist oft nur scheinbares Übel. Für mich sind viele Gründe
denkbar, warum wir so manches Unschöne durchleben müssen:

1. Manchmal ist es ein Weg zu größerem Glück.
2. Es kann sein, dass dadurch größeres Übel verhindert wird.​
3. Gott lässt dem Menschen seinen freien Willen. Und das, was uns geschieht, hat seinen Ursprung oft im Willen eines anderen Menschen. Oder in seiner Gleichgültigkeit.
4. Um uns wieder über Gutes freuen zu können, ist es manchmal hilfreich, wenn wir es eine Zeit lang vermissen. Erst im Blick auf das Schlechte kann man das Gute überhaupt erst erkennen und wertschätzen.
5. Oft ist das Übel ein „Stupser“, der gerade so heftig ist, um unsere Einstellung zu ändern und so glücklicher zu werden oder weil Gott uns an einer besonderen Stelle haben möchte bzw. weil wir etwas für ihn tun sollen.
6. Oft ist Geduld nötig bis man das „Warum“ erkennt.
7. Manchmal können wir den Grund nicht erkennen. Ich glaube aber, dass das selten ist. Meistens dürfte es an mangelndem Willen bei uns liegen, seinen Willen zu erkennen. Vielleicht sollen wir in unserem Leben manch tiefere Gründe nicht erfahren, weil uns das Wissen schaden würde.
Wenn wir etwas als Übel bewerten, ist es oft etwas, das anderen widerfährt. Der Plan Gottes ist für uns dann fast gar nicht zu erkennen. Wenn der Betroffene es selbst nicht erkennt, fällt es uns als Beobachter selten leichter. Wenn wir es zulassen, wenn wir es möchten, ja wenn wir Gott vertrauen, dann geschieht uns nichts im Leben, ohne dass Gott seinen guten Willen dadurch verwirklicht. Genau das meinte Jesus, als er sagte:

“Wahrlich, ich sage euch: Wer zu diesem Berge spräche: Heb dich und wirf dich ins Meer!, und zweifelte nicht in seinem Herzen, sondern glaubte, dass geschehen würde, was er sagt, so wird’s ihm geschehen.“
– Mk 11,37.38a

Deshalb ist gläubiges Vertrauen darin, dass er einen wunderbaren Plan mit uns hat, der wichtigste Schritt zu einem Leben in seiner Nähe. Dieses Urvertrauen wird der Gott niemals enttäuschen.
Vieles ist lediglich Zufall. Verurteilen wir Gott nicht, wenn wir keinen Plan wahrnehmen können. Gottes Naturgesetze wirken. Aber geben wir uns und anderen die Gelegenheit, den Plan Gottes zu erkennen. Und setzen wir alles daran, zu erkennen, wozu wir das Eine oder Andere erleben müssen. Denn wenn wir an Gottes Plan mit uns glauben, dann hat er auch einen Plan mit uns. Einen Plan, der uns glücklich macht und der uns in seine Nähe führt.

“Das eine aber wissen wir: Wer Gott liebt, dem dient alles, was geschieht, zum
Guten. – Römer 8,28a

Stefan Garmeister
Im August 2018