Wie mich Gott in seine Nähe zog

Was mir in den letzten Monaten widerfahren ist, hat mich nicht nur Gott erleben lassen, sondern auch dauerhaft in seine Nähe gezogen. Die Zeit war voller wunderbarer Erlebnisse und Erkenntnisse. Ich freue mich, anderen Menschen mit diesen Zeilen einen Einblick in meine Seele geben zu können. Ich möchte meine Erfahrungen weiter geben, weil sie Menschen helfen könnten, ihren Glauben zu stärken und selbst spirituelle Gotteserfahrungen machen zu können. Seit meiner Wiederinkraftsetzung ins Priesteramt am 25. April 2018 ist mir so viel Gutes geschehen. Und alles hat mit Gnade zu tun, mit meiner Nähe zu unserem Herrn Jesus.

Ich bin in einem neuapostolischen Elternhaus aufgewachsen, seit 1998 bin ich Diakon, seit 2004 Priester. Der Glaube hat in meinem Leben stets einen großen Platz eingenommen. Ich achtete meist auf die Entwicklung meiner Seele. Glaubenserlebnisse, insbesondere wenn ich unseren Himmlischen Vater vor den Menschen bekannte, stärkten mein Vertrauen in ihn. Nie war ich enttäuscht worden und ich wollte Gott immer die Treue zurückgeben, die ich von ihm erfuhr. Ich wusste stets, dass er alles gut machen würde. In den letzten Jahren vor meiner Krebserkrankung im Jahr 2015 hatte ich meinen Einsatz für Gottes Werk jedoch zurückfahren müssen. Eine unbestimmte Erkrankung hatte dazu geführt, dass es mir oft nicht gut ging. Übelkeit, Unwohlsein und Schwitzattacken plagten mich fast jeden Tag, über Jahre. Im Juni 2015 wurde ich deswegen beurlaubt, zwei Monate bevor man den Krebs festgestellt hatte. Eine weitere Wirkung des jahrelangen Kränkelns war eine gewisse Entfernung von der Kirche gewesen. So konnte ich monatelang meist nur sonntags in den Gottesdienst gehen und in der Woche konnte ich kaum meine Seelsorgearbeit machen. Wenn ich an den Jahresabschlussgottesdiensten vor 2015 Bilanz über meinen Glauben zog, hatte ich zunehmend feststellen müssen, dass ich mich etwas weiter von Gott entfernt hatte.

Die ständige Abwesenheit wegen der mangelnden Gesundheit hatte dazu geführt, dass ich mich etwas aus der Mitte der Gemeinde zurückgezogen hatte. Die Verbindung war einfach schwächer geworden.
Ein Hodgkin-Lymphom ist ein sehr langsam wachsender Krebs und ich vermute, dass dieser auch Ursache für meine angeschlagene Gesundheit in den Jahren davor gewesen war. Im August 2015 war ich kurzzeitig im Krankenhaus aufgrund einer Gallenkolik, hervorgerufen durch Gallensteine. Am Abend teilte der Radiologe dem Chefarzt mit, dass die Röntgenassistentin das CT-Gerät zu hoch eingestellt hatte und so auch die Achselhöhlen aufgenommen wurden, und dass er soeben im Bereich der rechten Achselhöhle etwas Verdächtiges entdeckt hätte, dass unbedingt überprüft werden sollte. Ein Zufallsbefund, sagen viele. Ich aber finde, das Eingreifen Gottes ist selten so offensichtlich. Für mich steht fest, dass Gottes Plan für mich hier seinen erkennbaren Anfang nahm. Am nächsten Tag wurde eine Biopsie durchgeführt. Der Chefarzt sagte, ich solle mit einem bösartigen Befund rechnen. Zwei Wochen später kam der Befund, und er war nicht gut: Hodgkin-Lymphom, Stadium II. Nun übernahm mein Onkologe, der im Bereich der Achselhöhle insgesamt 14 bis zu 4 cm große Tumore an den Lymphknoten feststellte. Wenig später begann die Chemo.

Die Nachricht “Krebs” im September 2015 war erst einmal ein Schock gewesen. Das ist wohl nachvollziehbar. Dazu kam auch noch, dass ich einen Aufhebungsvertrag mit meinem Arbeitgeber hatte schließen müssen und für die Zeit nach dem 31.12.15 eine neue Arbeitsstelle suchte. Eine vielversprechende, neue Stelle hatte ich Mitte August 2015 sicher. Das Vorstellungsgespräch in Wiesbaden war perfekt gelaufen und ich lobte Gott bereits, dass er wie immer am Ende alles gut gemacht hatte. Nur drei Tage später erhielt ich meine Krebsdiagnose. Der neue Arbeitgeber, den ich sofort informierte, machte natürlich einen Rückzieher. Aber die Gesundheit war nun sowieso wichtiger und ich konzentrierte mich aufs Gesundwerden. Furcht vor der Zukunft hatte ich nicht. Dazu war mein Gottvertrauen zu groß. Ich war auch gut versichert, so dass ich lange keine finanziellen Sorgen haben musste.
Während der Chemotherapie erfuhr ich schwere Komplikationen, einen so genannten Zytokinsturm, so dass selbst die Ärzte nicht weiter wussten und mein Leben in Gefahr war. Ich befand mich mehrere Tage im Delirium; an diese Zeit habe ich kaum Erinnerungen. Als ich das überstanden hatte, waren meine körperlichen Kräfte so gering geworden, dass selbst ein Gang ins Bad ein anstrengendes Abenteuer war, das mich völlig erschöpfte.

Mein Onkologe fragte mich irgendwann: “Müssen Sie denn wirklich alle Nebenwirkungen mitnehmen?” Ebenso schlimm hatte es meine Frau Melanie getroffen. Sie ist hochsensibel und wird des öfteren von Panikattacken heimgesucht, besonders seitdem. Bis heute ist eine Art posttraumatische Belastungsstörung bei ihr erkennbar. Wenn ich mich an etwas nicht erinnern kann oder abwesend bin, fragt sie ängstlich, ob alles in Ordnung sei oder so wie in jenen Wochen. Die Angst um mich wird wohl immer ein Teil ihres Lebens bleiben. Das Gute an der Erkrankung war, dass ich der Gemeinde wieder näher kam. Von Beginn an brachte mir meine Frau nach jedem Gottesdienst Grüße aus der Gemeinde mit. Während sie im Geiste die Geschwister durchging, die Grüße für mich mitgegeben hatten, hing ich an ihren Lippen. Sie sollte bloß niemanden vergessen! Früh wurde mir wieder bewusst, wie schön unsere Gemeinde ist und wie sehr sich die Glaubensgeschwister um mich sorgten und für mich beteten. Und auch mein Verhältnis zu Gott besserte sich wieder. Ich versprach ihm, wieder mit voller Kraft in seinem Werk tätig zu sein, wenn ich wieder gesund bin. Aber sollte er Anderes bestimmt haben, so wollte ich mich ihm ungeachtet dessen wieder ganz widmen. Meine Hinwendung zu ihm sollte nicht abhängig sein davon, ob mir sein Plan gefällt oder nicht. Ich wusste: Gott hat das Beste für mich beschlossen. Das hatte mir zuerst mein Gemeindevorsteher gesagt. Den Satz „Gott hat das Beste für Dich beschlossen!“ hatte ich noch nie gehört, aber ich glaubte ihm. Erst später wurde mir seine ganze Tragweite bewusst. Und seitdem höre und lese ich ihn ständig.

Andreas kümmerte sich sehr gut um uns. Wann immer ich Beistand brauchte, war er da, sogar ohne dass ich ihn darum bat. Und auch mein Glaubensbruder und Mitpriester Carsten besuchte mich öfter. Ich wusste zwar immer, dass Seelsorge wichtig ist, doch zum ersten Mal erlebte ich persönlich, wie gut und wohltuend es ist, wenn man Seelsorger hat, die sich um einen kümmern und sorgen. Die Telefon- und (besonders) Internetgottesdienste waren ein Segen für mich. So konnte ich Gottes aktuelles Wort hören und ein wenig teilhaben an dem Erleben der Gemeinde. Aber ich merkte auch, dass sie echte Gemeinschaft und Begegnung nicht ersetzen können. Doch wenn man wenig Speise hat, kann auch das Geringe groß werden. Während der Chemotherapie bekam ich Schmerzen, hervorgerufen durch eine Schädigung der Nerven. Sie tauchten täglich auf und wanderten im Körper umher. Mal taten die Hände und Füße weh, manchmal die Schultern oder der Rücken. Schmerztabletten konnten die Schmerzen allenfalls leicht mindern. Am besten half Ruhe, in Verbindung mit Schmerzmitteln. Dann hörten die Schmerzen meist irgendwann auf. Bekam ich keine Ruhe, wurden sie immer stärker, so dass sie irgendwann so stark wurden, dass gar nichts mehr ging.

Zu den Schmerzen kam ein Taubheitsgefühl in den Zehen und am Oberschenkel. Nach der Chemo überstand ich noch eine Strahlentherapie. Nachdem die gröbsten Therapiebeschwerden abgeklungen waren, im Frühjahr 2016, nahm ich es in Angriff, meinen körperlichen Gesamtzustand zu verbessern. Mens sana in corpore sano. Ich fing an spazieren zu gehen. Zuerst nur 100 Meter. Doch schon bald, nach wenigen Monaten, wurden meine fast täglichen Spaziergänge zu Wanderungen von mehreren Stunden. Meist musste ich dabei gegen die Nervenschmerzen ankämpfen. Blieb ich davon verschont, wusste ich, dass sie kommen würden, wenn ich wieder zuhause war. Ich nahm mir vor, jeden Tag etwas zu tun, was anstrengend war, egal ob ich Schmerzen bekommen würde oder nicht. Ich fing auch wieder an, ins Fitnessstudio zu gehen, besonders bei schlechtem Wetter. Aber auch Einkaufstouren oder Besuche bei meinen Eltern oder Freunden wurden eingeschränkt durch meine Polyneuropathie. Ein einzelnes Vorhaben am Tag konnte ich meist durchführen, doch danach musste ich ruhen. Aber ich wollte mich dem Schmerz nicht einfach so ergeben und kämpfte dagegen an. In einer Kur sah ich keinen Sinn, denn ich war überzeugt davon, die Polyneuropathie auf meine Art bekämpfen zu können. Eine Polyneuropathie ist nicht heilbar, der Körper muss das selbst vollbringen. Die Ärzte wussten auch keinen anderen Rat und etwas anderes als Wohlfühl-Anwendungen und Bewegung würde ich bei einer Kur auch nicht bekommen.

Die Polyneuropathie hat sich bis heute kaum gebessert. Eine Zeit lang werde ich mich noch mit den Schmerzen arrangieren und leben müssen. Dem Augenblick, mich wieder mit ganzer Kraft guten Dingen widmen zu können, sehe ich freudig entgegen.
Ich merkte wie ich allmählich stärker und fitter wurde. So fit war ich seit der Bundeswehrzeit nicht mehr, und das lag mittlerweile schon zwölf Jahre zurück. Auch das Taubheitsgefühl in den Füßen und am Oberschenkel wurden besser. Meine Bewegungstherapie hatte Erfolg. Dann kam der Rückfall. Bei der alle drei Monate erfolgenden Kontrolluntersuchung stellte der Onkologe einen Schatten auf der Milz fest. Es wurde gleich eine Operation angesetzt, um den tischtennisball großen Tumor samt Milz und Gallenblase zu entfernen. Erst ein Speziallabor konnte den Tumor bestimmen. Es war eine Mischung zwischen Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphom, das wohl so noch nie gesehen wurde.

Der Tumor wurde zwar mit der Milz entfernt, doch vorsichtshalber bekam ich eine erneute Chemo. Das Gift, das meine Nervenschäden hervorgerufen hatte, wurde allerdings weggelassen, dafür kam eine Antikörper-Therapie. Meine Frau hatte natürlich wieder große Angst. Ich selbst jedoch nicht! Mir war sofort klar, warum ich das so erleben musste. Es war als würde der liebe Gott mir sagen: “Lieber Stefan, Du hast eine schöne Entwicklung gemacht, doch ich habe noch Größeres mit Dir vor. Gehe in Dich und erkunde meinen Willen. Du wirst meinen Plan mit Dir erkennen.” Die zweite Chemo war leicht im Gegensatz zur ersten. Ich bekam kaum Infektionen oder andere Nebenwirkungen. Angenehm ist zwar keine Chemotherapie, aber im Gegensatz zur ersten war die zweite gewissermaßen “okay”. Sogar von den Nervenschmerzen bekam ich eine Pause. Wie in dem Jahr davor musste ich nach der Chemo meine körperlichen Kräfte wiederherstellen. Doch die Ausgangslage war etwas besser und ich steigerte die Leistung noch im Vergleich zum Vorjahr. Über 20 Kilo habe ich seitdem abgenommen. Langsam machte ich mir auch wieder Gedanken, wie es beruflich bei mir weitergehen soll. Die Polyneuropathie war noch immer da. Fast jeden Tag. Doch ich machte mir Hoffnung, dass sich die Schmerzen schon geben würden, hätte ich eine Aufgabe mit einem geregelten Arbeitsalltag. Außerdem kamen die finanziellen Sorgen in Sicht. Das Krankengeld war im Frühjahr 2017 zu Ende und ich bekam Arbeitslosengeld für zwölf Monate. Bislang hatte ich durch die Versicherungen genauso viel Geld zur Verfügung gehabt wie vor der Krankheit.

Das Arbeitslosengeld war zwar geringer, doch noch immer hoch genug. Aber ich sah mit Sorge auf den Mai 2018, wo das Arbeitslosengeld enden würde. Im September 2017 unterschrieb ich bei einem Unternehmen der Unternehmensberatung. Ich wollte es einfach versuchen. Vielleicht würden die Schmerzen von selbst verschwinden. Ich wusste, einen 8-17-Uhr-Job würde ich noch nicht durchhalten, aber die Tätigkeit versprach teilweise Heimarbeit und selbstständige Zeitplanung. Das kam mir entgegen. Der Vertrag beinhaltete eine Vorausbildung im Selbststudium zuhause. Während dieses Vorbereitungsmonats jedoch merkte ich, dass die Gesundheit längst noch nicht ausreichen würde, eine solche Arbeit zu erledigen. Ich wäre die meiste Zeit arbeitsunfähig und lange Arbeitstage, die notwendig gewesen wären, hätte ich nicht geschafft. Außerdem hätte ich rhetorische Fähigkeiten und meinen Willen, Menschen zu helfen, einsetzen müssen, um überteuerte Beratungsmandate zu verkaufen. Und das wollte ich nicht.

Ich beschloss für mich, niemals mehr eine Arbeit auszuüben, bei der ich Menschen zwar etwas Gutes tun kann, dieses aber immer mit einer Gegenleistung des Anderen verbunden wäre. Wann immer ich eine Gegenleistung erwarte, macht diese Gegenleistung einen Teil der Arbeitsmotivation aus. Für die meisten Menschen ist das akzeptabel oder sogar normal. Doch ich will das nicht. Ich möchte Menschen möglichst ohne Gegenleistung dieser Menschen helfen. So soll meine nächste berufliche Tätigkeit aussehen. Diese habe ich bis jetzt noch nicht gefunden, würde diese bis heute gesundheitlich auch noch nicht schaffen. Ich weiß aber, dass es irgendetwas geben wird, was meinen Vorstellungen entspricht. Der liebe Gott wird meine Suche zu gegebener Zeit segnen, da habe ich keinerlei Zweifel. Und irgendwann werde ich wieder die nötige Gesundheit haben. Auch da bin ich mir sicher. Was meine Zukunft angeht ist Vieles ungewiss. Aber ich weiß, dass ich ein noch viel glücklicheres Leben führen werde als früher. Ausgangspunkt erster Überlegungen waren zwei Büchlein, die mir mein lieber Glaubensbrüder Jörn während der Chemotherapien geschenkt hatte.

Das Buch „Von Guten Mächten“ von Anselm Grün öffnete mir das Verständnis dafür, dass uns alle Drangsale, die uns widerfahren, zum Besten dienen. Unsere Aufgabe dabei ist es, den Plan zu erkennen, den der liebe Gott für uns vorgesehen hat. Denn es ist ein Plan, der unser Leben glücklicher machen soll. Wie oben geschrieben: Der liebe Gott hat das Beste für uns beschlossen. Das zweite Buch war „Das Café am Rande der Welt: eine Erzählung über den Sinn des Lebens“ von John Strelecky. Diese Geschichte inspirierte mich zu überlegen, was mich im Leben wirklich glücklich macht. Diese Dinge zu hier zu beschreiben würde jedoch zu weit führen. Dafür schreibe ich eigene Texte; teilweise habe ich sie auch schon geschrieben. Momentan warte ich auf den Bescheid zur Erwerbsminderungsrente. Das Arbeitslosengeld II, das ich seit Mai bekomme, ist zu wenig zum Leben, und ich bin den lieben Menschen dankbar, die uns unterstützen und so selbst auf etwas verzichten. Ich freue mich auf den Tag, an dem wir auf diese Hilfe nicht mehr angewiesen sind.

Am 25. April 2018 sollte es soweit sein, den nächsten Schritt zu gehen: Meine Beurlaubung als Priester sollte aufgehoben werden. Ich freute mich sehr auf den Tag der Einkehr unseres Apostels Mutschler bei uns in die Gemeinde. Und die Vorfreude wurde mehr als erfüllt. An dem Tag änderte sich viel in meiner Seele. Mir war, als wäre ich ein Stück Metall auf einem Amboß, das in den letzten Jahren tüchtig geschmiedet wurde. Ich wusste, dass aus dem Stück Metall etwas Schönes werden würde, aber ich hatte es noch nicht erkennen können. Nun aber hatte das Werkstück – meine Seele – Gestalt angenommen, und das, was ich erkannte, begeisterte mich über die Maßen. Ich hatte in meinem Leben zwar schon erhebende und seligmachende Momente erlebt: Bewegende Abendmahlsfeiern, begeisternde Predigten, verbindende Gemeinschaftserlebnisse. All die schönen Augenblicke im Hause des Herrn, wegen der ein Christ Gott dankbar sein kann. Doch dieses Gefühl der Gottverbundenheit hört seitdem nicht mehr auf! Fast täglich spüre ich die Nähe und Liebe unseres Herrn Jesus. Es gibt zwar auch Tage, bei denen die Stimmung nicht ganz so gehoben ist, doch die sind nur eine Unterbrechung des neuen Normalzustandes. Auch als der Sommer zu Ende ging, es dunkler und feuchter wurde, gab es ein paar Tage ohne diese intensive Verbundenheit. Solche Tage müssen sicherlich auch mal sein, um das Gute wieder wirklich wertschätzen zu können. Glücklicherweise sind sie selten. Und mittlerweile ist es wieder so wie im Sommer. Ich habe eine große Freude in mir, und ein uneingeschränktes Gottvertrauen. Aber ich weiß, dass mein Zustand nicht selbstverständlich ist. Ja er ist sogar sehr zerbrechlich. Und ich weiß, dass auf jeden Fall wieder andere Zeiten kommen werden. Meine größte Bitte ist deshalb, in seiner Nähe bleiben und seine Liebe fühlen zu dürfen. Alle anderen Wünsche und Sorgen treten dabei in den Hintergrund. Das Schöne ist: ich habe es selber in der Hand, treu und in seiner Nähe zu bleiben. An ihm liegt es nicht, wenn ich die Verbindung zu ihm nicht mehr spüre. Bei vielen unserer Lieder wird es mir bewusst wie noch nie, was der Liederdichter empfunden haben musste, als er sie schrieb.

Ein gutes Beispiel ist “Ich bete an die Macht der Liebe”: O Jesu, dass dein Name bliebe im Herzen, drück ihn tief hinein! Möcht’ deine große Jesuliebe in meinen Sinn gepräget sein! In Wort und Werk, in allem Wesen sei Jesus und sonst nichts zu lesen! Genau das erlebe ich und das wünsche ich mir vom Herrn auch für die Zukunft. Und ich wünsche das auch meinem Nächsten, besonders auch Schwester und Bruder.
Durch den Heiligen Geist spüre ich eine tiefe Verbundenheit zum Stammapostel und zu unserem Apostel. Drei- bis viermal kam es vor, dass ich nach einem selbst gehaltenen Gottesdienst Zweifel hatte, ob das, was ich predigte, wirklich vom Heiligen Geist kam. Die Gedanken waren ungewöhnlich und ich wollte die Geschwister nicht verunsichern. Doch nur wenig später las ich Gottesdienstberichte, vom Stammapostel wie auch von unserem Apostel, in denen genau diese Gedanken standen! Nun hatte ich noch mehr Grund, Gott zu loben. Wie wunderbar doch der Heilige Geist arbeitet! An so etwas kann man erkennen, dass es Gottes Werk ist. Und es ist großartig! Ich bete momentan viel, auch wenn die Gebete nicht immer umfassend sind. Oft reicht es mir, die Nähe und Liebe unseres himmlischen Vaters zu spüren. Zu wissen: Er ist niemals weiter weg als einen Gedanken. Ich darf mich geborgen fühlen. Die Gebete sind meist kurze Gedanken, die mich mit Gott verbinden. Länger werden die Gebete vor allem dann, wenn ich seine Nähe nicht mehr so fühlen kann. Selbst kleine, unscheinbare Sünden trennen mich von Gott. Das spüre ich viel deutlicher als früher. Mache ich meiner Frau oder meiner Familie gegenüber flapsige Bemerkungen, die nicht durchdacht, aber geeignet sind, die Lieben zu betrüben oder zu ärgern, so spüre ich, dass ich die Liebe Jesu nicht mehr so erreichen kann. Ein- oder zweimal habe ich es erlebt, dass ich wirklich unglücklich über diesen Abstand zu Gott war, den ich ja selber verschuldet hatte. Ich betete zu Gott und bereute, schon wieder so etwas getan zu haben. Es dauerte eine gewisse Zeit, doch irgendwann kam mir der Gedanke, als ob der Herr Jesus sagen würde: “Ich habe Dir vergeben, Stefan. Du darfst natürlich wieder in meine Nähe.” Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich ein solches Erlebnis und zum ersten Mal erkannte ich deutlich, was er meinte als er sagte: “Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ (Matthäus 11,28)

Seitdem versuche ich selbst kleine Sünden zu meiden, denn ich erlebe, wie sie mich von der Liebe Gottes trennen. Wenn ich sündige, habe ich immer Probleme, Gottes Nähe zu spüren. Manchmal sehne ich mich dann nach dem nächsten Gottesdienst, indem es so viele Gelegenheiten gibt, ihn zu erleben. Besonders sehne ich mich nach der Nähe zu ihm im Heiligen Abendmahl und nach der Sündenvergebung. Wenn ich vergleichsweise wenig gesündigt habe und ich im Alltag die Nähe Gottes wahrnehmen durfte, dann erlebe ich das Heilige Abendmahl anders, als wenn ich in einem “gottferneren” Zustand bin. Es hat dann weniger den Charakter einer Erlösung, da ich mich nie so weit von Gott entfernt habe. Dann steht vielleicht das Gemeinschaftsmahl im Vordergrund: Gemeinsam dürfen wir, freigemacht von allem Trennenden, zu ihm gehen und Gemeinschaft mit ihm haben. In jedem Fall ist mir die Wichtigkeit und Erhabenheit der Sakramente mehr bewusst als jemals zuvor. Im Alltag kommen mir viele schöne Gedanken. Ich habe begonnen, sie aufzuschreiben. Das erfüllt mich wiederum mit großer Freude und Dankbarkeit. Es sind meist religiöse Themen, die mich beschäftigen, zum Beispiel bei der Vorbereitung auf den Gottesdienst, beim Lesen von philosophischen Büchern oder nach wunderbaren Erlebnissen. Auch zur Natur habe ich ein anderes Verhältnis als früher. Mir ist bewusst, dass alles Leben miteinander verbunden ist und wir Gott auch in seiner Schöpfung und der Wissenschaft erkennen können. Vielleicht werden meine Aufzeichnungen irgendwann mal ein Buch ergeben. Bis dahin verteile ich die kurzen Texte an Menschen, von denen ich annehme, sie könnten ihnen helfen oder gefallen. So wie dieser Erfahrungsbericht. Es ist vielleicht nichts Weltbewegendes, aber es ist mein persönliches Erleben, das ich gern teile.

Ich bin mir bewusst, dass alles, was ich Gutes erleben darf, Gottes Gnade ist. Er hat alles so geplant. Er ließ mich die Krankheit durchleben. Und es gehört noch immer zu seinem Plan, dass ich krank bin und finanzielle Schwierigkeiten habe. Mir gefällt es zwar nicht, und ich weiß nicht, wie lange das noch gehen soll. Aber ich sehe darin den Plan Gottes. Es ist nun auch klar, warum ich derzeit von staatlicher und privater Unterstützung leben muss. Wenn ich jetzt im Lotto gewänne, würden die Menschen sagen: “Es ist nachvollziehbar, warum er Gott so dankbar ist; erst heilt er ihn von der schweren Krankheit, nun hat er noch Geld im Überfluss.” Das würde andere von der Erkenntnis fernhalten, dass das Wichtigste im Leben Gottes Nähe ist, nicht Geld, nicht Gesundheit und auch nichts anderes. Die Nähe zu Gott lässt dich glücklich sein, egal was du im Leben erleben musst. Natürlich lassen mich auch andere Dinge glücklich sein, doch selbst wenn ein Mangel herrscht, ist Glücklichsein möglich durch die Nähe zu Gott und seiner Liebe. Und von dieser Liebe kann mich nichts trennen, egal was immer mir auch geschieht.

Ich wünsche allen, die diese Zeilen lesen, dass sie helfen, eigene Erfahrungen dieser Art zu machen, um so auch im Leben glücklicher zu werden sowie Gottes Nähe und seine Liebe dauerhaft zu spüren und zu erleben.
Stefan Garmeister Gustedt, im November 2018